Disclaimer: Von Musik habe ich per se keine Ahnung, ich nehme einfach Lance Butters› Ästethik auf und gebe meine Einschätzungen dazu wieder. Viel Vergnügen!
Who the fuck is Lance Butters…?
… mag sich jetzt wohl der eine oder andere fragen. Lance Butters ist ein deutscher Rapper. Er ist stets mit Maske unterwegs, seine wahre Identität ist unbekannt. Zu Bekanntheit gelangte er über den Battlerap, was eine spezielle Disziplin von Rap ist, bei der sich zwei Kontrahenten «lyrisch in die Fresse schlagen». Obwohl er die Turniere an denen er teilnahm nicht gewinnen konnte schaffte er es, sich wegen stylischer Gestik, witzigen Textpassagen und einer coolen Art eine Gefolgschaft aufzubauen. Heute ist er – den Umständen entsprechend – erfolgreich und konnte sich trotz seiner Antihaltung der Popkultur gegenüber in den Köpfen vieler festsetzen.
Weg vom Battlerap, hin zu Album-Releases
Nach kleineren Erfolgen bei Battlerap-Turnieren kamen die ersten kompletten Alben des deutschen Rappers auf den Markt. Darin distanzierte er sich aktiv von seiner Battlerap-Vergangenheit, was meiner Meinung nach ein kluger Schachzug war. Andere Rapper wie der ehemalige Weggefährte Butters›, Weekend, taten es ihm gleich. Wiederum andere sind in dem Battlerap-Ding hängen geblieben und haben es nie darüber hinausgeschafft.
Als die ersten EP’s des Rappers aus Friedrichshafen an die Öffentlichkeit kamen, drangen diese nie vollständig zu mir durch. Ich kannte die Battlerap-Figur Lance Butters und wusste, dass er neben den Runden aus den Turnieren vor allem über das Kiffen musizierte. Damit fand er bei mir als bekennender Nicht-Kiffer halt keinen Anklang. Es kam aber besser.
Gelungene Weiterentwicklung
Ob der Charakter Lance Butters in der Vergangenheit etwas eindimensional gewesen sein mag, sei dahingestellt. Ich bin nämlich erst seit der Platte «Angst» wieder so richtig auf ihn aufmerksam geworden (bitte vergebt mir, liebe Superfans). Und was dieses Album so mit sich brachte, lässt sich echt sehen. Klar, das Kiffen ist immer noch Teil von Lance’s Leben und sickert hier und da noch durch, aber der Charakter hat ansonsten eine Tiefe, wie ich sie bei wohl keinem anderen Rapper so feststellen könnte. Song für Song wird mit der Familie abgerechnet, die Rap-Community aufs Schärfste kritisiert und die dunklen Gefühle verarbeitet. Das ist mal ein Werk, in das man sich so richtig hineinfühlen kann. Auch wenn das nicht immer so angenehm sein mag.
Tiefe Einblicke werden gewährt
Auf dem Album «Angst» nimmt uns Lance mit in seine persönliche Unterwelt. Sehr schön versinnbildicht stellt er diesen Vorgang in seinem Song «Keller» dar:
Doch was kommt jetzt dran? Ich mein›, was kommt als nächstes?
Habt ihr euch nie gefragt, wofür mein gottverdammtes Herz schlägt?
Wieso ich so bin, wie ich bin mittlerweile?
Und innerlich inzwischen nur hier unten verweile?
Denn „Blaow“ war die Wohnung, für euch alles so wie gewohnt
Und jetzt sehen sie mein’n Keller, er ist kahl und vermodert
Hab› keine Idole, blick› zu keinem nach oben
Soll mich der Teufel doch hol’n
Lance Butters – Keller
Dies lässt darauf schliessen, dass diese «Unterwelt» immer in Lance gelebt hat und dass er diese Charaktertiefe immer mit sich herumtrug, diese aber erst jetzt zum Vorschein kommen liess. Im Gegensatz zur wundervoll funkelnden Popmusik oder der Afrotrap-Welle, auf der viele heutzutage mitschwimmen, sind die Texte hier bedeutungsschwer. Wie gesagt, hinhören ist nicht immer einfach. Eine Scheidung, ein Selbstmord(versuch?), Hoffnungslosigkeit, Zukunftsängste, Geldsorgen: Die Untergangsstimmung ist angerichtet.
Die Konzepte hinter den einzelnen Liedern passen in das Gesamtbild und verschmelzen zu einem einzigen, düsteren Soundtrack. Besonders spannend ist beispielsweise der Aufbau des Songs «Vater», in der uns Lance im Aufbau vermittelt, dass er immer für uns da sei. Im Verlaufe des Liedes stellt sich aber heraus, dass er dies nur vorgegeben hat und ihm eigentlich alle egal sind – so äls wäre er unser bzw. sein verantwortungsloser Vater.
Dazu kommen Musikvideos, die in sich kleine Kunstwerke darstellen und einfach generell ein unglaublich stylischer, gut abgestimmter Auftritt. Lines, Beats, Videos, Kleidung, Handbewegungen: Alles passt. Hier kriegen wir den echten Lance Butters zu hören, und der echte Lance Butters ist verdammt faszinierend.
Ist das alles ernst gemeint?
Bei Lance Butters ist man sich da nicht immer so sicher. Er kündigte nämlich zum Beispiel an, dass er es sich ernsthaft überlegt, nach «Angst» mit Musik aufzuhören. War das eine realistische Aussage? Ich glaube nicht daran. Vielleicht hatte er aufgrund seines Streits mit Four Music einfach kurzfristig keinen Bock mehr, wer weiss. Aber dass ein kreativer wie er dieses Handwerk vom einen auf den anderen Tag an den Nagel hängt, ist für mich schwer vorstellbar. Es wäre sicherlich eine negative Überraschung, würde er durchziehen.
Fragwürdig ist auch Butters› Einstellung zum Leben. Er gibt in seinen Songs zumindest vor, keinen Wert auf eine Zukunft für sich zu legen. Die Stimmung in seinen neuen Songs ist von einem düsteren Unterton geprägt, welcher wenig Platz für Positives übrig lässt. Dabei frage ich mich: Wenn es so schlimm ist, warum dann nicht gleich aus dem Leben schiessen? Warum warten? Es mag etwas makaber sein, einer Person hier Inkonsequenz vorzuwerfen, aber genau diese Ungereimtheit macht das Ganze etwas weniger authentisch. Dafür, dass er in seinen Songs so einen beissenden Zynismus an den Tag legt, kann es ihm gar nicht so super schlecht gehen. Vielleicht ist er ja doch ein Stück wie wir alle und jammert gerne einfach mal ein Bisschen rum. Das würde dann ebenso bedeuten, dass noch ein Fünkchen Hoffnung auf eine bessere Existenz in ihm steckt. Ich wünsche ihm dies auf jeden Fall.
Wie es mit Lance Butters weitergehen könnte
Die Fans des Herrn Butters dürfen sich glücklich schätzen, denn er hat diese Jahr bereits wieder neue Musik herausgebracht. Er fuhr mit seiner Loner EP in einem ähnlich tiefgründigen Stil fort, war aber einen Tick weniger reflektiert und mehr angriffislustig. Er attestierte in seinem Lied «Tot» gleich dem ganzen Hip-Hop-Genre das Ableben. Mein persönliches Highlight von der Loner EP ist der Titelsong, welchen ich als ebenfalls sehr introvertierte Persönlichkeit gut für mich interpretieren kann.
Scheißegal, was ihr Penner so denkt
Irgendwas liebt jeder an Lance, oder? (Oder?)
Habe kein’n dicken Benz oder Cash oder Flex
Oder wie ihr was auch nur aus Trend grade nennt
Meine Lunge pfeift aus allen Löchern
Noch viel mehr gekifft als gestern (Gestern)
Ne, es gab nie ein’n Grund euch zu passen
Mann, echt nicht, ich wünsch› euch die Pest, Mann, yeah (Yeah)
Egal, was ich auf „ANGST“ vielleicht preisgab
Ich fick› jeden von euch, ganz einfach
Lance Butters – Tot
Was wir in Zukunft von ihm hören werden ist offen. Man darf davon ausgehen, dass die Zeit der Plattitüden vorbei ist, was ich als Fan von Musik mit Tiefgang natürlich toll finde. Und ich kann mir nach wie vor nicht vorstellen, dass es das jetzt von ihm war. Es bleibt stets die leise Hoffnung, dass ihm eines Tages wieder mal das Geld ausgeht und er deswegen wieder Musik machen muss. Und solange Corona unsere Leben regiert und Live-Konzerte keine Option sind, kann man sich nur im Stillen über jedes kleine Lebenszeichen seinerseits freuen. Denn nicht nur musikalisch ist der Typ super interessant, ich höre ihm auch in Interviews sehr gerne zu. Und damit bin ich nicht alleine. Ich hoffe er ist sich seiner Wirkung bewusst.
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